Betriebsschließungsversicherung und Corona: Keine einheitliche Linie der Rechtsprechung

03

Mär.
2021

Betriebsschließungsversicherung und Corona: Keine einheitliche Linie der Rechtsprechung

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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Viele Gewerbetreibende unterhalten eine Betriebsschließungsversicherung, die den Ertragsausfall ersetzen soll, der sich aus einer behördlich angeordneten Betriebsschließung ergibt. Grund für eine Betriebsschließung kann der Seuchenschutz sein. Daher steht die Betriebsschließungsversicherung aufgrund der seit dem Frühjahr 2020 verhängten Schließungsmaßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie so stark im Fokus wie nie zuvor. Vor Gericht wird intensiv darüber gestritten, ob die aktuelle Pandemie versichert ist oder nicht.

Die Versicherungsbedingungen verweisen in den meisten Fällen auf das Infektionsschutzgesetz und enthalten gleichzeitig eine Aufzählung von Krankheiten, die versichert sein sollen. Die Frage, ob trotz der Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz diese Aufzählung der Krankheiten endgültig und abschließend ist oder ob die Verweisung dazu führt, dass die Liste als offen anzusehen ist, wird von Gerichten unterschiedlich beurteilt. Teilweise sehen sogar verschieden Kammern desselben Gerichts die Lage unterschiedlich.

So hat das LG Mannheim in einem Urteil vom 29.04.2020 in den Versicherungsbedingungen einen dynamischen Verweis auf die jeweils aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes erblickt (Az. 11 O 66/20). Das Oberlandesgericht Hamm hat hingegen in einem Beschluss vom 15.7.2020 (Az. 20 W 21/20) die Liste als abschließend angesehen.

Den Versicherungsfall wegen einer Covid-19bedingten Betriebsschließung verneint haben in den letzten Monaten unter Hinweis auf eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten im Versicherungsvertrag u.a. das LG Ravensburg (Urteil vom 12.10.2020, Az. 6 O 190/20), das LG Oldenburg (Urteil vom 14.10.2020, Az. 13 O 2068/20), das LG Bayreuth (Urteil vom 15.10.2020, Az. 22 O 207/20), in mehreren Entscheidungen das LG Bochum (Urteile vom 04.11.2020, Az. 13 O 40/20 und andere), das LG Köln (Urteil vom 26.11.2020, Az. 24 O 252/20 und Urteil vom 09.12.2020, Az. 20 O 194/20), das LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.12.2020, Az. 2 O 4499/20) und das LG Dresden (Urteil vom 06.01.2021, Az. 8 O 909/20).

Der Sichtweise, dass die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz dazu führt, dass auch neue Krankheitserreger - und damit SARS-CoV-2 - versichert sind, folgen das LG München I (Urteil vom 22.10.2020, Az. 12 O 5868/20), das LG Magdeburg (Urteil vom 06.10.2020, Az. 31 O 45/20), das LG Darmstadt (Urteil vom 09.12.2020, Az. 4 O 220/20) sowie die Kamer für Handelssachen des LG Hamburg (Urteile vom 04.11.2020, Az. 412 HKO 83/20 und 412 HKO 91/20). DIe Versicherungskammer des LG Hamburg hält die Liste hingegen für abschließend und hat die Klage eines Versicherungsnehmers abgewiesen (Urteil vom 10.12.2020, Az. 332 O 238/20).

In Schleswig-Holstein gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Während das LG Lübeck der Auffassung folgt, dass die Aufzählung trotz der Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz abschließend sei (Urteile vom 08.01.2021, Az. 4 O 132/20 und 4 O 164/20), vertritt das LG Flensburg der Auffassung, dass die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz zumindest die abschließende Liste in Frage stelle. Damit seien die Bedingungen unklar, was zulasten des Versicherers gehe (Urteil vom 10.12.2020, Az. 4 O 153/20).

Besonderheiten wiesen zwei Fälle des LG München I auf. Das Gericht hat die Liste als jedenfalls dann nicht abschließend angesehen, wenn der Erreger SARS-CoV-2 in den Vertragsverhandlungen als den in der Liste genannten gleichgestellt bezeichnet wurde. In der Entscheidung ging es um einem Versicherungsvertrag, der erst am 01.03.2020 abgeschlossen worden war (Az. 12 O 5895/20). In einem Urteil vom 17.09.2020 hat das Landgericht München I einen Versicherungsfall verneint, weil eine Kindertagesstätte mit Notbetreuung nicht als vollständig geschlossen anzusehen sei (Az. 12 O 7208/20).

Zu der Frage, ob die Listen abschließend sind oder die Versicherungen als dynamisch verstanden werden müssen, werden in der nächsten Zeit vermehrt Entscheidungen von Oberlandesgerichten erwartet, so dass klarer werden wird, welcher Auffassung der Vorzug gebührt. Zu einer endgültig einheitlichen Linie wird es aber erst kommen, wenn auch der Bundesgerichtshof sich mit der Frage befasst hat, ob die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz oder eine in den Versicherungsbedingungen enthaltene Liste von Krankheiten vorgeht.

Unser Ansprechpartner für Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.