EuGH: Verbraucher kann Schutzgerichtsstand ins Ausland mitnehmen

16

Mär.
2022

EuGH: Verbraucher kann Schutzgerichtsstand ins Ausland mitnehmen

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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In grenzüberschreitenden Fällen bestimmen die einschlägigen Regeln auf EU-Ebene, dass ein Unternehmer einen Verbraucher, mit dem er einen Vertrag geschlossen hat, nur in seinem Wohnsitzstaat verklagen darf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Entscheidung vom 30.09.2021 auf eine Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs (BGH) klargestellt, dass diese Regel auch gilt, wenn es sich um einen nachträglichen Auslandsfall handelt.

In dem Fall des BGH hatte ein in Deutschland ansässiges Kreditinstitut einem ebenfalls in Deutschland ansässigen Verbraucherkunden den Girovertrag gekündigt und klagte nun Zahlungsrückstände ein. Der Verbraucher war inzwischen in die Schweiz verzogen. Im Verhältnis zur Schweiz richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Luganer Übereinkommen (LugÜ), dessen Regeln weitgehend identisch sind mit der innerhalb der EU-Staaten geltenden Zuständigkeitsverordnung der EU (sogenannte Brüssel-Ia-Verordnung). Die Überlegungen zum LugÜ gelten daher auch für die Verhältnisse bei grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der EU.

Beide Regelwerke kennen den "Schutzgerichtsstand" zugunsten des Verbrauchers, der vom Unternehmer nur in seinem Wohnsitzland verklagt werden darf (Artikel 15 LugÜ und Artikel 17 Brüssel-Ia-VO). Voraussetzung ist allerdings, dass der Unternehmer im Wohnsitzland des Verbrauchers eine Niederlassung hat oder seine Tätigkeit auf das Land ausrichtet. Klassisches Beispiel für ein solches "Ausrichten" auf Deutschland ist das Vorhalten einer deutschsprachigen Website durch ein nicht im deutschen Sprachraum ansässiges Unternehmen.

Im BGH-Fall war unstreitig, dass das Kreditinstitut ausschließlich in Deutschland tätig war und auch keine Anstalten machte, seine Tätigkeit auf die Schweiz auszurichten. Daher war das Kreditinstitut der Auffassung, dass der "Schutzgerichtsstand" nicht gelten könne, denn sonst würde man zu einer Klage in einem anderen Land gezwungen, obwohl man sich gar nicht auf das Land ausgerichtet habe.

Der EuGH stellt indessen nüchtern fest, dass die einschlägigen Regeln nicht voraussetzen, dass der Fall bereits bei Vertragsabschluss ein Auslandsfall sei. Daher seien die Regeln über den "Schutzgerichtsstand" immer anwendbar, wenn Unternehmer und Verbraucher bei Vertragsschluss in demselben Land ihren Sitz haben und der Verbraucher später in Ausland umziehe.

Unser Ansprechpartner für internationales Wirtschaftsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.