Gaskrise: Leistet die Betriebsunterbrechungsversicherung?

29

Jul.
2022

Gaskrise: Leistet die Betriebsunterbrechungsversicherung?

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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Nachdem die Corona-Pandemie der zuvor wenig beachteten Betriebsschließungsversicherung große Bedeutung verschafft hatte, könnte die nächste Runde der versicherungsrechtlichen Aufmerksamkeit auf die Betriebsunterbrechungsversicherung fallen, wenn es aufgrund des Konflikts mit Russland zu Versorgungslücken bei der Gasversorgung kommen sollte. Etwa 50 % der in Deutschland verbrauchten Gasmenge wurde im Jahr 2020 aus Russland importiert. Dass es zu Versorgungsengpässen kommen kann, wird an vielen Stellen prognostiziert.

Kommt es wegen Ausfällen in der Gasversorgung zur Betriebsunterbrechung, stellt sich die Frage, ob eine Betriebsunterbrechungsversicherung eintritt. Eine Analyse der gängigen Versicherungsverträge zeigt allerdings, dass schon die Frage, ob die Unterbrechung der Gasversorgung überhaupt versichert ist, nur in den seltensten Fällen zu bejahen sein wird. In den meisten Fällen ist die Betriebsunterbrechungsversicherung sozusagen Anhängsel einer Schadensversicherung. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist daher die Entstehung eines Sachschadens, zumeist noch begrenzt auf die "gängigen" Ursachen wie Feuer, Sturm, Leitungswasser und Einbruch. Aber es gibt auch viele Erweiterungen des "klassischen" Versicherungsschutzes. Während im Normalfall gilt, dass der Sachschaden im Betrieb des Versicherungsnehmers eingetreten sein muss, bieten einige Versicherer eine Erweiterung um eine "Supply-Chain-Versicherung" an, die Schutz auch dann bietet, wenn der Sachschaden bei einem Zulieferer oder Abnehmer eingetreten ist. Die bloße Unterbrechung der Gasversorgung dürfte allerdings weder im eigenen Betrieb des Versicherungsnehmers noch bei Zulieferern oder Abnehmern einen Sachschaden auslösen. Für die "Supply-Chain-Versicherung" gibt es allerdings keine standardisierten Bedingungen. Wer über eine solche Versicherung verfügt, sollte seine Bedingungen sorgfältig prüfen, ob möglicherweise ein Ausfall der Gasversorgung auch ohne Sachschaden versichert ist.

Das einzige weiter verbreitete Regelwerk, das die Unterbrechung der Gasversorgung selbst versichert, ist die erweiterte Klausel TK 4980 zur Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung. Nach dieser Klausel sind zunächst wieder Folgen von Sachschäden versichert, in der Erweiterung aber auch Unterbrechungsschäden infolge von Ausfällen der öffentlichen Versorgung aufgrund sonstiger Ursachen.

Ist die Unterbrechung der Gasversorgung grundsätzlich versichert, stellt sich die Frage, ob ein vertraglich vereinbarter Ausschluss eingreift. In allen Verträgen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen für Unterbrechungsschäden infolge von Krieg, kriegsähnlichen Ereignissen, Bürgerkrieg und ähnlichen Umständen. Unabhängig von der Deklaration des Vorgehens in der Ukraine als militärische Spezialoperation durch die russische Führung besteht kein Zweifel daran, dass es sich objektiv um einen Krieg handelt, sodass das Merkmal "Krieg" des Ausschlusstatbestands erfüllt ist. Fraglich bleibt dann, ob die Versorgungsunterbrechung durch den Krieg verursacht wurde. Dafür dürfte es darauf ankommen, warum es nun genau zur Unterbrechung der Gasversorgung kommt. Werden etwa Pipelines durch kriegerische Handlungen beschädigt oder zerstört, ist die Auswirkung des Krieges auf die Unterbrechung der Versorgung offensichtlich. Anders dürfte es aussehen, wenn die Gasversorgung aufgrund einer politischen Entscheidung unterbrochen wird, etwa weil die russische Führung aus politischen Gründen die Gasversorgung einstellt. Dann dürfte diese politische Entscheidung die maßgebliche Ursache für die Versorgungsunterbrechung darstellen und nicht der Krieg, so dass die Versicherung einzutreten hätte.

Unser Ansprechpartner für Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.