Bei Entscheidungen der Gerichte in Mindestsatzklagen gemäß § 7 HOAI drohen weitere Verzögerungen

13

Jan.
2020

Bei Entscheidungen der Gerichte in Mindestsatzklagen gemäß § 7 HOAI drohen weitere Verzögerungen

erstellt von Jan-Hendrik Thomsen

Der EuGH hat im Sommer des Jahres 2019 (EuGH, Urt. v. 04.07.2019, Az., C-377/17) entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze europarechtswidrig sind. Soweit nichts sonderlich Neues. Die nationalen oberen Gerichte haben sich im Anschluss daran mit der Bewertung des Urteils des EuGH für die deutsche Rechtspraxis und mit der Bindungswirkung der HOAI und ihren Mindest- und Höchstsätzen auseinandersetzen müssen und haben dies getan; mit unterschiedlichen Ergebnissen.  In der Rechtsprechung der Landes- und Oberlandesgerichte ist ein Streit entbrannt, ob die Mindest- und Höchstsätze noch Bindungswirkung entfalten können und noch unmittelbar zur Anwendung kommen können, da sie europarechtswidrig sind (nein sagen u.a.: LG Bonn, OLG Düsseldorf, OLG Celle, KG Berlin, OLG Schleswig; ja hingegen: OLG Hamm und OLG München).

Honorarklagen auf der Basis der Mindest- und Höchstsätze der HOAI derzeit anzustrengen, ist mangels sicherer Geltung der HOAI mithin nicht ohne Probleme und birgt Prozesskostenrisiken in sich, da bereits die Bezifferung der Honorarforderung des Planers aufgrund streitiger Fortgeltung  der HOAI nicht mehr ohne weiteres möglich ist, wenn beispielsweise keine Honorarvereinbarung getroffen wurde. Ansonsten wirksam getroffene Honorarvereinbarungen können derzeit nur mit unsicheren Erfolgsaussichten gerichtlich mit der Begründung angezweifelt werden, sie verstießen gegen die HOAI, wie diverse Gerichte festgestellt haben. So hat auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht diese Begründung zur Unwirksamkeit einer ansonsten wirksamen Honorarvereinbarung abgelehnt. Auch diese Nachwirkung der Entscheidung des EuGH ist nicht sonderlich neu. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des EuGH stehen noch aus. Der BGH wird voraussichtlich am 14.05.2020 über drei anhängige Revisionen (teilweise auch Nichtzulassungsbeschwerden) mit dieser Thematik entscheiden, ggf. legt aber auch der BGH diese Frage noch zur Entscheidung vor.

Zu der derzeit schwierigen materiellen Rechtslage für Honorarklagen für neu anzustrengende Prozesse gesellen sich Entscheidungen von den Landgerichten Essen und Baden-Baden, die Rechtsstreite bis zu der Entscheidung des vom Landgericht Dresden zum EuGH eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren aussetzten. Dies bedeutet nicht nur, dass neu anzustrengende Klagverfahren sogleich wieder ins Stocken geraten könnten, weil auch diese Gerichte die Rechtsstreite aussetzen. Auch bereits laufende Klagverfahren können bis zu einer Entscheidung des EuGH ausgesetzt werden. Zu der derzeit unsicheren materiellen Rechtslage kommen drohende erhebliche Zeitverzögerungen hinzu. So kann sich eine im Moment für einen Prozessbeteiligten günstig darstellende Entscheidungssituation vor dem für seinen Rechtsstreit zuständigen Gericht durch eine Aussetzung und spätere ggf. auch überraschende Entscheidung des EuGH oder des BGH zu seinem Nachteil entwickeln.

Wer also derzeit nicht darauf angewiesen ist, eine Mindestsatzhonorarklage - bspw. zur Hemmung der Verjährung – anzustrengen, könnte bis zu einer Klärung der Situation durch die obersten Gerichte mit der Erhebung der Klage zuwarten. Anderseits kann diese derzeitige rechtliche Unsicherheit auch die Chance bieten - außergerichtlich oder gerichtlich - ein gutes Vergleichsergebnis zu erzielen, wenn die Parteien den Folgen der Entscheidung in die eine oder andere Richtung aus dem Weg gehen wollen.

Unser Ansprechpartner für Architektenrecht: Rechtsanwalt Jan-Hendrik Thomsen.