Gesundheitsfragen: Besonderheiten beim Vorlesen durch Versicherungsvertreter

12

Apr.
2023

Gesundheitsfragen: Besonderheiten beim Vorlesen durch Versicherungsvertreter

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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Möchte jemand Leistungen aus einer Personenversicherung (Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Unfallversicherung, Private Krankenversicherung) erhalten, gibt es mitunter Probleme, weil der Versicherer der Meinung ist, ihm sei beim Vertragsabschluss nicht alles über den Gesundheitszustand der versicherten Person gesagt worden. Um mögliche Streitigkeiten einzugrenzen, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, nach denen der Versicherer bei der Antragsaufnahme in Textform fragt. Daher gibt es bei allen Versicherern einen gedruckten Katalog mit Fragen nach Krankheiten und Behandlungen in einem bestimmten (je nach Versicherer unterschiedlichen) Zeitraum vor dem Versicherungsantrag. Stellt sich heraus, dass der Versicherungsnehmer eine dieser Fragen nicht zutreffend beantwortet und eine Behandlung oder Krankheit nicht angegeben hat, kann das den Versicherungsschutz gefährden. Beim bewussten Verschweigen einer schwerwiegenden Krankheit kann eine arglistige Täuschung vorliegen, die den Versicherer zur Anfechtung des Vertrags berechtigt mit der Folge, dass er keinerlei Leistungen erbringen muss.

Die "Frage in Textform" setzt voraus, dass dem Versicherungsnehmer der Text vorliegt und er ihn lesen kann. Auch im Zeitalter der Digitalisierung werden die meisten Versicherungsanträge jedoch nicht vom Versicherungsnehmer allein ausgefüllt, sondern von einem Versicherungsvermittler aufgenommen. In der Praxis geschieht das meistens, indem der Versicherungsvermittler die Fragen aus dem Fragenkatalog vorliest und der Versicherungsnehmer sie beantwortet. Das OLG Hamm hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 23.08.2021 die Auffassung vertreten, dass die Fragen trotzdem in Textform gestellt sind, wenn der Versicherungsvermittler die Fragen wörtlich vorliest und dem Versicherungsnehmer anschließend das ausgefüllte Formular zur Unterschrift vorlegt, sodass der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, den in Textform abgefassten Fragenkatalog zu lesen. Nicht erforderlich soll es sein, dass der Versicherungsnehmer vor der Unterzeichnung noch einmal zur Durchsicht der Antragsfragen aufgefordert wird.

Diese Regel soll jedoch nicht gelten, wenn der Versicherungsvermittler die Fragen nicht wortwörtlich, sondern in einer Abwandlung vorliest, die den Sinngehalt verändert. Dann fehle es an der Übertragung der vom Versicherer in Textform vorgegebenen Formulierung durch das Vorlesen. Daraus folgt, dass mit einer im Formular eingetragenen unzutreffenden Antwort auf die textliche Frage nicht automatisch eine falsche Beantwortung der tatsächlich gestellten Frage durch den Versicherungsnehmer feststehe.

Unser Ansprechpartner für Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.