Grenzüberschreitendes Arbeitsrecht: Der komplizierte Weg zum Mindestlohn

16

Aug.
2022

Grenzüberschreitendes Arbeitsrecht: Der komplizierte Weg zum Mindestlohn

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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Hat ein Rechtsverhältnis einen Bezug zu verschiedenen Staaten, gelten für das anzuwendende Recht die Regeln der Rom-I-Verordnung der Europäischen Union. Eine wesentlicher Grundsatz dieser  Regeln ist die Freiheit der Rechtswahl der Beteiligten. Das bedeutet, dass die Beteiligten grundsätzlich frei entscheiden dürfen, das Recht welches Staates auf ihr Rechtsverhältnis Anwendung finden soll.

 

Im Arbeitsrecht führt diese Wahlfreiheit mitunter zu einem Phänomen, das unter dem Stichwort "Lohndumping" diskutiert wird. Es betrifft vor allem die Transportbranche, in der Fernfahrer aus Osteuropa wochenlang auf Strecken in Westeuropa unterwegs sind, dafür aber einen Lohn auf dem Niveau ihres Heimatlandes erhalten.

 

Die Rom-I-Verordnung enthält für Arbeitsverträge einige Sonderregeln. Die wichtigste dürfte sein, dass eine Rechtswahl nicht dazu führen darf, dass von einem ohne die Rechtswahl anwendbaren Recht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen wird.

 

Liegt keine Rechtswahl vor, bestimmt sich das anwendbare Recht danach, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Auf den ersten Blick müsste diese Regelung dazu führen, dass bei einer ständigen Tätigkeit in einem westeuropäischen Land die dort geltenden rechtlichen Mindeststandards anzuwenden sind.

 

So einfach ist es aber nicht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Entscheidung vom 15.07.2021 zwar festgestellt, dass zu den geschützten Mindestanforderungen auch deutsche und italienische Mindestlohnvorschriften gehören. In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um rumänische Fernfahrer, die vor allem in Italien und Deutschland unterwegs waren. In den Arbeitsverträgen war jeweils die Geltung rumänischen Arbeitsrechts vereinbart worden.

 

Nach Auffassung des EuGH führt jedoch der Umstand, dass ein Arbeitnehmer vorwiegend in Deutschland oder Italien tätig ist, nicht zwingend dazu, dass die dort gültigen Mindestlohnvorschriften auch anwendbar sind. Der EuGH differenziert bei der Rechtswahl noch danach, ob es sich um eine freie Rechtswahl der Beteiligten handelt oder ob die Rechtswahl wiederum nach nationalen Vorschriften im Land des Arbeitnehmers vorgeschrieben ist. Nur im Falle einer freien Rechtswahl sollen die den Arbeitnehmer schützenden Regeln der Rom-I-Verordnung eingreifen und die im Tätigkeitsland geltenden Mindestlohnvorschriften gelten.

 

Unser Ansprechpartner für Arbeitsrecht: Rechtsanwalt Jan-Kai Jensen.

 

Unser Ansprechpartner für Internationales Wirtschaftsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.