Lebensversicherung: Kündigung kein Widerruf des Bezugsrechts

02

Aug.
2023

Lebensversicherung: Kündigung kein Widerruf des Bezugsrechts

erstellt von Dr. Frank Markus Döring

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In der Lebensversicherung spielt das Bezugsrecht eine entscheidende Rolle. Mit dem Bezugsrecht regelt der Versicherungsnehmer, wer die Versicherungsleistung erhält. Regelmäßig findet sich in Versicherungsverträgen eine Vereinbarung zum Bezugsrecht für den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Ablauf der Versicherung erlebt (dann wird zumeist der Versicherungsnehmer selbst bezugsberechtigt sein) sowie für den Fall des Todes des Versicherungsnehmers vor Ablauf der Versicherung. Während es selten Probleme gibt, wenn der Versicherungsnehmer den Ablauf der Versicherung erlebt, ist das Bezugsrecht im Todesfall in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Zum einen geht es regelmäßig um hohe Geldsummen, die versichert sind. Zum anderen ist die Einordnung der Umstände, unter denen das Bezugsrecht eingeräumt und womöglich wieder entzogen wurde, juristisch schwierig.

Fraglich kann auch sein, ob ein Bezugsrecht überhaupt widerrufen wurde. Dazu hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung vom 22.03.2023 (IV ZR 95/22) mit einem zugleich tragischen wie kuriosen Fall zu befassen gehabt. Die Versicherungsnehmerin hatte ihrem Lebensgefährten ein Bezugsrecht im Todesfall eingeräumt. Später kündigte sie den Vertrag. Für die Kündigung war eine Frist vereinbart, die dazu führte, dass der Vertrag erst einige Zeit nach der Kündigung endete. Wenige Tage vor dem Ablauf des Vertrags verstarb die Versicherungsnehmerin. Der Versicherer hatte das Vertragsguthaben weitere zwei Tage vorher vorzeitig ausgezahlt und verklagte nun die Erben der Versicherungsnehmerin auf Rückzahlung. Der Versicherungsnehmer dann habe die Zahlung nicht zugestanden. Der Lebensgefährte könne die Versicherungsleistung aufgrund des Bezugsrechts beanspruchen.

Die Erben berief sich darauf, dass die Versicherungsnehmerin durch die Kündigung des Vertrags das Bezugsrecht widerrufen habe. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht bestätigte den Widerruf des Bezugsrechts und wies die Klage ab. Der BGH schloss sich jedoch der Auffassung des Landgerichts an, nach der kein Widerruf des Bezugsrecht erklärt worden war. Die Versicherungsnehmerin habe ausschließlich den Versicherungsvertrag gekündigt. Daraus könne nicht entnommen werden, dass sie für den Fall, der nun eingetreten ist, nämlich dem Versterben vor Ablauf der Kündigungsfrist, auch das Bezugsrecht habe ändern wollen. Zwar lasse sich nicht ausschließen, dass mit einer solchen Kündigung auch ein Widerruf des Bezugsrechts gewollt sei. Dafür müssten aber zusätzliche Umstände vorliegen, aus denen sich eine solche Bedeutung ergebe. In diesem Fall seien solche Umstände nicht ersichtlich, sodass die Kündigungserklärung auf die Folge beschränkt bleiben, die mit der Erklärung bezweckt sei, nämlich die Beendigung des Vertrags mit Ablauf der für die Kündigung vereinbarten Frist.

Unser Ansprechpartner für Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.