Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten: Welche Regeln gelten?

16

Mär.
2023

Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten: Welche Regeln gelten?

erstellt von Jan-Kai Jensen

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Am 13.09.2022 hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, Arbeitszeiten zu erfassen und aufzuzeichnen. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe vor. Sie enthalten einige Präzisierungen. Welche das im Wesentlichen sind, fassen wir hier zusammen:

1. Die tatsächliche Arbeitszeit ist zu erfassen

Es besteht auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung und Aufzeichnung von Beginn und Ende (= Dauer) der täglichen Arbeitszeit sowie Pausenzeiten und Überstunden des Arbeitnehmers um zulässige muss ich nun musste ich nun sonst soll.

Eine Delegation der Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten auf den einzelnen Arbeitnehmer ist zulässig; der Arbeitnehmer kann aber nicht freiwillig auf die Erfassung verzichten.

2. Die Form der Arbeitszeiterfassung ist bisher nicht vorgegeben

Eine bestimmte Form der Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten besteht nicht. Die Zeiterfassung muss daher nicht zwingend elektronisch erfolgen, sondern kann auch-je nach Tätigkeit und Unternehmen-in Papierform erfolgen.

Genaue Vorgaben sind vom Gesetzgeber zu erwarten, der im September 2022 ankündigte, nach Vorlage der Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts tätig werden zu wollen.

3. Vertrauensarbeit bleibt auch weiterhin möglich

Vertrauensarbeiten meint, dass die Arbeitnehmer den Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können und der Arbeitgeber darauf verzichtet, zu kontrollieren, ob die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten auch einhalten. Die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer entscheiden können, wann sie arbeiten, sich ihre Arbeitszeit unter Beachtung der Arbeitszeit gesetzlichen Grenzen also frei einteilen können, bleibt also bestehen. Neu aber ist, dass auch im Falle der Vertrauensarbeitszeit die Pflicht besteht, die Arbeitszeiten zu dokumentieren.

4. Pflicht zur Zeiterfassung auch für leitende Angestellte?

Leitende Angestellte, also Führungskräfte, die zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt sind oder Prokura haben, und andere Arbeitnehmer außerhalb des Geltungsbereichs des Arbeitszeitgesetzes unterliegen vermutlich nicht der Verpflichtung zur Zeiterfassung. Weder nach Arbeitszeitgesetz noch nach Arbeitsschutzgesetz. Das allerdings ist derzeit umstritten. Erst eine Gesetzesänderung wird hier für Klarheit sorgen können. Bis daher ist es empfehlenswert, auch bei leitenden Angestellten eine Zeiterfassung vorzunehmen.

5. Kein Initiativrecht für den Betriebsrat

Der Betriebsrat hat kein Initiativrecht zur Erzwingung einer (elektronischen) Zeiterfassung. Er ist jedoch bei der konkreten Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems zu beteiligen.

6. Verstoß gegen die Pflicht zur Zeiterfassung führt nicht zu unmittelbaren Sanktionen

Weil auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes die Pflicht eines jeden Arbeitgebers besteht, ein Zeiterfassungssystem einzurichten, müssen Arbeitszeiten deshalb ab sofort erfasst werden. Arbeitgeber können also nicht warten, bis der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts umgesetzt hat. Gleichwohl müssen Arbeitgeber nicht in Aktionismus verfallen. Ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz ist nicht unmittelbar bußgeldbewehrt, stellt also keine Ordnungswidrigkeit dar. Um ein Bußgeld verhängen zu können, muss die zuständige Behörde zunächst anordnen, dass die Arbeitszeit im Betrieb erfasst werden soll. Erst wenn dem nicht Folge geleistet wird, drohen Geldbußen.

Fazit:

Auch wenn Fragen der Ausgestaltung noch nicht gesetzlich geregelt sind, eine gesetzliche Verpflichtung zur Fassung der Arbeitszeit besteht bereits jetzt. Arbeitgebern ist deshalb auch ohne aktuell bestehenden Umsetzungsdruck durch den Gesetzgeber oder den Betriebsrat dringend zu empfehlen, sich mit dem Thema Arbeitszeiterfassung und dessen Ausgestaltung auseinanderzusetzen.

Unser Ansprechpartner für Arbeitsrecht: Rechtsanwalt Jan-Kai Jensen.