Testierfähig – ja oder nein?

09

Mär.
2022

Testierfähig – ja oder nein?

erstellt von Dr. Torsten Emmerich

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Fragen der Testierfähigkeit spielen im Erbrecht eine wichtige Rolle. Weicht der Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge durch letztwillige Verfügung ab, kommt es immer wieder vor, dass die übergangenen oder benachteiligten Personen die Testierfähigkeit des Erblassers infrage stellen.

Nach dem BGB gilt jedermann, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, grundsätzlich als testierfähig. Testierunfähig sind somit nur Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 2229 Abs.1 BGB) und solche Personen, die wegen einer psychischen Störung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung die Bedeutung eines Testaments und seine Auswirkungen nicht erfassen können (§ 2229 Abs.4 BGB). Neben eindeutigen Fällen klarer geistiger Behinderungen kommt eine Testierunfähigkeit hiernach in Betracht, aber auch für den Fall, dass organisch bedingte Hirnstörungen vorliegen, wie z.B. infolge einer schweren Hirnverletzung; bei einer schweren bipolaren Störung mit manischen und depressiven Phasen in diesen Zeiträumen;  bei Alkoholismus oder Tablettensucht, wenn diese das Stadium einer psychischen Erkrankung erreichen und hirnorganische Veränderungen hervorrufen; wenn die Willensbildung durch Medikamente stark eingeschränkt ist oder wenn schizophrene Psychosen vorliegen, wie z.B. Halluzinationen oder akute Wahnsymptome.

Die Tatsache, dass eine Person unter gerichtlich angeordneter Betreuung gestellt wird, steht der grundsätzlichen Testierfähigkeit nicht entgegen. Auch bei Personen unter Betreuung wird die Testierfähigkeit zunächst vermutet. Nur wenn die Betreuung auf einem der vorgenannten Umstände beruht, kann die Testierfähigkeit entfallen.

Gleiches gilt für Personen, die an Demenz leiden. Erst dann, wenn die medizinisch diagnostizierte Demenzerkrankung die geistigen Fähigkeiten des Betroffenen so stark beeinflussen, dass sich der Erblasser kein klares Urteil mehr über den Testamentsinhalt bilden konnte, entfällt die Testierfähigkeit.

Ob eine Person im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB testierunfähig ist, muss stets im Einzelfall beurteilt werden.

Unsere Ansprechpartner für Erbrecht: Rechtsanwalt und Notar Dr. Torsten Emmerich und Rechtsanwältin Claudia Arndt.