Vermächtnisnehmer: Kein Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis

23

Feb.
2023

Vermächtnisnehmer: Kein Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis

erstellt von Dr. Torsten Emmerich

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Pflichtteilsberechtigte Personen haben für den Fall, dass sie enterbt sind, gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses und pflichtteilsrelevanter Schenkungen des Erblassers durch Aufnahme und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Gilt das auch für die pflichtteilsberechtigten Personen, die durch letztwillige Verfügung des Erblassers ein Barvermächtnis erhalten, dessen Höhe dem Pflichtteilsanspruch entspricht?

Das OLG München hat das in einer Entscheidung vom 21. November 2022 verneint. Nur derjenige, der seinen Pflichtteil geltend macht, hat den gesetzlich in § 2314 BGB verbrieften Anspruch auf Vorlage eines notariell aufgenommenen Nachlassverzeichnisses. Ein (pflichtteilsberechtigter) Vermächtnisnehmer, der das Vermächtnis annimmt,  hat lediglich einen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gegen den Erben, den der Erbe durch ein von ihm selbst erstelltes Nachlassverzeichnisses erfüllen kann. Einen Anspruch auf Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen und erstellten Nachlassverzeichnisses, dass eine höhere Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit bietet, hat der (pflichtteilsberechtigte) Vermächtnisnehmer nicht.

Wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer nicht ausdrücklich auch einen solchen Auskunftsanspruch zukommen lässt, ist dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer anzuraten, das Vermächtnis auszuschlagen und seinen Pflichtteil zu verlangen. Die Höhe des Anspruchs bleibt gleich, die Rechtsposition wird bei Ausschlagung des Vermächtnisses jedoch deutlich verstärkt.

Unsere Ansprechpartner für Erbrecht: Rechtsanwalt und Notar Dr. Torsten Emmerich und Rechtsanwältin Claudia Arndt.