Jan.
2022
Bauvertrag: Abnahme nicht vergessen!

Die Abnahme ist im Werkvertrags- und Baurecht der Dreh- und Angelpunkt für verschiedenste rechtliche Wirkungen und bedarf daher immer besonderer Aufmerksamkeit durch beide Vertragsparteien.
Wenn ein Bauvorhaben sich der Fertigstellung nähert, wird es, gleich ob es sich um ein Eigenheim oder um eine Gewerbeimmobilie handelt, nicht selten hektisch und die Fertigstellung der Arbeiten und der Einzug des Bauherren begründen eine eigene Dynamik, bspw. wenn die eigene Mietwohnung bereits gekündigt wurde und der Bauherr gezwungen ist umzuziehen und der Zeitplan ohnehin schon knapp bemessen war. Die Arbeiten laufen manchmal noch und der Einzug des Bauherren beginnt. Es kann sehr unübersichtlich werden, insbesondere wenn mehrere Gewerke noch tätig sind, der Einzug bereits läuft und der Bauherr ggfs. sogar noch Eigenleistungen – wie den Einbau der Küche o.ä. - erbringt. So kann sich bspw. später die nicht mehr aufklärbare Frage stellen, welches Gewerk hat welche Mängel oder Schäden verursacht.
Bevor es zu dieser unübersichtlichen Situation kommt, sollte unbedingt ein Termin stattfinden, in dem geprüft wird, ob eine Abnahme erklärt werden kann oder nicht und wie der Stand bezgl. von Restarbeiten und Mängeln tatsächlich ist. Doch wann ist abzunehmen? Welche Wirkungen hat die Abnahme? Was sollte man bei der Abnahme beachten und was, wenn das Bauvorhaben noch gar nicht wirklich fertig also sozusagen noch gar nicht „abnahmereif“ ist?
Die rechtgeschäftliche Abnahme ist die „körperliche Hinnahme“ verbunden mit der „Anerkennung als in der Hauptsache vertragsmäßige Erfüllung“ (BGHZ 48, 262; NJW-RR 1993, 1462). Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Sind also nur noch unwesentliche Mängel vorhanden, kann der Bauherr die Abnahme nicht nur nicht verweigern, der Unternehmer kann bei unberechtigter Verweigerung die Abnahme sogar klagweise gerichtlich geltend machen. Stehen hingegen wesentliche Restarbeiten aus oder bestehen hingegen wesentliche Mängel kann die Abnahme verweigert werden. Was zur Abnahmeverweigerung berechtigt und was nicht ist eine Frage des Einzelfalls.
Anzustreben ist bei dem Erreichen eines entsprechenden Zustandes des Werkes - ohne wesentliche Mängel - eine sog. „förmliche Abnahme“, also ein Abnahmetermin unter Beteiligung der Parteien vor Ort, in dem das Bauwerk gemeinsam begutachtet wird und sein Zustand, Restarbeiten und Mängel in einem Protokoll dokumentiert werden. Ausstehende Restarbeiten und zu beseitigende Mängel sollten örtlich und anhand der Symptome beschrieben in das Protokoll aufgenommen werden, wie auch die Termine bis zu denen sie erledigt oder beseitigt werden müssen. Dieses Protokoll sollte unbedingt eine Erklärung dazu enthalten, ob die Abnahme vorbehaltlos erklärt wird, ob sie unter Vorbehalt von Rechten erklärt oder aber verweigert wird. Aufgenommen werden kann auch beispielsweise welcher Betrag von der Werklohnforderung einbehalten werden darf, bis die Mängel beseitigt wurden. Das Protokoll wird letztendlich von beiden Parteien unterschrieben. So haben später beide Seiten ein Dokument, welches Beweiszwecken dient.
Die Bezifferung eines Einbehalts setzt natürlich voraus, dass man die ungefähren Mängelbeseitigungskosten beziffern kann. Das doppelte der Mängelbeseitigungskosten darf bis zur Beseitigung der Mängel einbehalten werden. Es ist auch möglich den Zustand, Restarbeiten und Mängel sowie die Beseitigungskosten von einem Gutachter vor dem Termin bewerten zu lassen, da der Bauherr regelmäßig nicht das gleiche Fachwissen hat und den Zustand und die Mängelbeseitigungskosten meist selbst nicht bewerten kann. Die Wertung des Gutachters kann dann auch einen Hinweis dahin geben, ob abgenommen werden muss oder nicht.
Die Abnahme verändert die Gefahrtragung, erlaubt die Geltendmachung der Mängelrechte gem. § 634 BGB, kann einzelne Ansprüche abschneiden, verschiebt die Beweislast, lässt die Vergütung fällig (und verzinslich) werden (§ 641 BGB) und die Verjährungsfristen nach § 634a BGB beginnen.
Die wenigsten Bauherren verbinden so weitreichende und vielseitige Folgen mit der Abnahme. Da so viele rechtliche Folgen aus der Abnahme folgen sollte (muss) dieser entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden, insbesondere wenn später unter rechtlicher Beratung über das Ausüben von Rechten oder über die Geltendmachung von Ansprüchen anhand des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Abnahme entscheiden werden muss.
Ein Beispiel zur Herausstellung der Bedeutung ist das Übergehen der Beweislast. Bis zur Abnahme hat der Bauunternehmer zu beweisen, dass er mangelfrei geleistet hat. Nach der Abnahme hat der Bauherr zu beweisen, dass von dem Auftragnehmer ein Mangel begründet wurde. Dies kann von erheblicher Bedeutung sein, wenn zum Beispiel die Mangelursache oder der Verursacher unbekannt sind, wie bei dem oben genannten Beispiel.
Wenn bspw. der Fußbodenleger den Fußboden verlegt hat und seine Arbeiten abgeschlossen waren und eigentlich eine Abnahme hätte stattfinden sollen, aber eine förmliche Abnahme nicht stattgefunden hat, seine Schlussrechnung aber schon beglichen wurde und eines der nachfolgenden Gewerke, der Fußbodenleger selbst oder aber der Bauherr Schrammen auf dem Boden verursacht haben könnten, kann es schwierig werden, wem die an dem Boden verursachten Schäden zuzurechnen sind. So kann den Schaden der Fußbodenleger selbst verursacht haben, die Schrammen auf dem Boden können aber auch durch den Einzug des Bauherren oder durch den von diesem beauftragten Küchenbauer beim Einbau der Küche verursacht worden sein.
Hätte es eine „förmliche Abnahme“ gegeben, könnte man anhand der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel nach vollziehen, ob zum Zeitpunkt des Datums des Mängelprotokolls diese Mängel schon bestanden haben oder nicht. In diesem hier benannten Beispiel könnte es streitig werden, ob bereits eine Abnahme stattgefunden hat, weil der Bauherr die Schlussrechnung des Fußbodenlegers schon zum Ausgleich gebracht hat, da in der Vergangenheit in der Rechtsprechung bereits angenommen wurde, dass unter Umständen auch der vollständige Ausgleich einer Schlussrechnung eine sogenannte konkludente Abnahme durch schlüssiges Verhalten, nämlich die Bezahlung der Schlussrechnung, darstellen kann.
Es gibt verschiedene anhand des Einzelfalls zu bewertenden Verhaltensweisen, die nach der Rechtsprechung dazu führen können, dass eine konkludente Abnahme – ohne eine förmliche Abnahme – erklärt wurde. Allein das Streitpotenzial diesbezüglich und für die aus der Abnahme folgenden Ansprüche und Rechte ist groß. Diesen Unsicherheiten kann durch eine förmliche Abnahme erheblich entgegengewirkt werden.
Eine weitere Art der Abnahme ist beispielsweise eine dadurch herbeigeführte Abnahme, dass der Auftragnehmer seinem Auftraggeber eine Frist zur Abnahme gesetzt hat.
Die Rechtsfragen rund um die Abnahme können unheimlich vielseitig sein, weshalb sich auf diese gut vorbereiten sollten und sich im Zweifel zu dieser beraten lassen sollten. Dies gilt auch, wenn die Abnahme aufgrund einer Verweigerung nicht erklärt wird, weil Streit über die Abnahmefähigkeit besteht. Im Falle eines Bauvertrages hat dann eine Zustandsfeststellung gemäß § 650g BGB stattzufinden, die ähnlich wie die Abnahme durchgeführt wird, die aber ganz andere rechtliche Folgen nach sich zieht.
Unsere Ansprechpartner für Baurecht: Rechtsanwalt Jan-Hendrik Thomsen und Sachbearbeiterin Privates Baurecht Verena Bartelsen, LL.B. (Wismar)