Dez.
2023
BGH: Keine vorbeugende Prüfung potentieller Schiedsverfahren
Zur Klärung von Streitigkeiten erfreuen sich Schiedsgerichte vor allem bei grenzüberschreitenden Verträgen großer Beliebtheit. Schiedsgerichte sind keine staatlichen Gerichte, sondern sie werden im Einzelfall für die Klärung des konkreten Konflikts zwischen den Vertragspartnern gebildet. Grundlage ist eine Schiedsvereinbarung, die von den Vertragspartnern zum Zwecke der Klärung des Konflikts abgeschlossen wird.
Im deutschen Recht gibt es seit geraumer Zeit gesetzliche Vorschriften in der Zivilprozessordnung, die einen Rahmen für die Tätigkeit von Schiedsgerichten liefern. Zu den gesetzlichen Vorschriften gehört die Möglichkeit, die Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gerichtlich prüfen zu lassen (§ 1032 Abs. 2 ZPO). Wird ein solcher Antrag gestellt, prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt.
In einer Entscheidung vom 27.07.2023 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Antrag zu befassen, mit dem es darum ging, die generelle Unzulässigkeit von schiedsrichterlichen Verfahren auf Grundlage des europäischen Energiecharta-Vertrags feststellen zu lassen. Der Energiecharta-Vertrag ist ein internationales Abkommen zum Schutz grenzüberschreitender Investitionen in Energieanlagen. Das Abkommen enthält Regelungen zur Beilegung von Streitigkeiten, darunter die Möglichkeit, eine Streitigkeit in einem Schiedsverfahren zu regeln.
Ein deutsches Unternehmen, das in den Niederlanden ein Kohlekraftwerk betreibt, hatte ein Schiedsverfahren eingeleitet wegen Verlusten von Investitionen durch die Entscheidung der Niederlande, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Das Verfahren wurde später vom Schiedsgericht eingestellt. Das Königreich der Niederlande beantragte bei einem deutschen Gericht die Feststellung, dass sowohl das eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig sei als auch alle weiteren Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags. Das angerufene Oberlandesgericht hatte den Anträgen stattgegeben.
Nachdem das zunächst eingeleitete Schiedsverfahren beendet worden war, beschränkte sich die Entscheidung des BGH auf die Frage der Zulässigkeit zukünftiger Schiedsverfahren. Den Antrag auf eine solche Feststellung hält der BGH für unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Überprüfung des Schiedsverfahrens nicht vorlägen. Erforderlich sei zumindest das Bestehen einer Schiedsvereinbarung zwischen den Beteiligten, auf deren Grundlage die konkrete Durchführung eines Schiedsverfahrens zu erwarten sei. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsverfahrens könne nur auf Grundlage einer Schiedsvereinbarung getroffen werden, was logischerweise die Existenz einer solchen Vereinbarung voraussetze. Die Überprüfung einer bloßen potentiellen oder zukünftigen Schiedsvereinbarung ermögliche die gesetzliche Vorschrift des § 1032 Abs. 2 ZPO nicht.
Unser Ansprechpartner für Internationales Wirtschaftsrecht: Rechtsanwalt Dr. Frank Markus Döring.